Verfertigung der Gedanken beim Zeichnen
18.11.2011 | 12:00 von Bernd Glier
Audio Link Von der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Zeichnen (Wie Zeichnungen Wissen organisieren von Frank Kaspar, Deutschlandradio Kultur vom 17.11.2011)
Eine Zeichnung, ein Schema oder eine Karte kann Ideen und Sachverhalte, Prozesse und Zusammenhänge anders darstellen, als ein beschreibender oder erläuternder Text. Im Bild lässt sich auf einen Blick erfassen oder mit den Augen in alle Richtungen abtasten, was die Schrift in die eine Dimension der Zeile zwingen muss."
Sind mit den unterschiedlichen Wahrnehmungsbedingungen auch verschiedene Arten des Denkens und Urteilens verbunden? Das Bild gilt traditionell als Medium der Suggestion, die Schrift als Medium der Argumentation und Kritik. Doch so klar lässt die Grenze sich längst nicht mehr ziehen.
Der Philosoph Vilém Flusser sprach schon in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts von einer "Krise der Linearität" und sagte einen fundamentalen Wandel unserer Medien- und Wissenskultur voraus. Man könne auch "mit Bildern philosophieren", sagte Flusser, aber einem Wechsel des Leitmediums entspreche auch eine andere Auffassung von uns selbst, ein anderes In-der-Welt-Sein. Nach unserem Eintritt in Flussers "Universum der technischen Bilder" organisieren nicht nur die Grafiken und Animationen auf Computerbildschirmen, Handy- und Automatendisplays Alltagswissen nach bildlichen Maßgaben, es gibt auch eine Art Rückbesinnung auf das Zeichnen mit der Hand.
"Graphic Recorder" und "Visual Facilitator" begleiten Konferenzen, um Wissen aufzubereiten, Kommunikation zu strukturieren, Ergebnisse bildlich pointiert zu dokumentieren. "Je komplexer und virtueller unsere Welt wird, desto schwieriger wird es, sich allein in Worten zu verständigen", heißt es bei der Agentur Kommunikationslotsen.
Aber welchen Regeln folgt die neue Art der Verständigung? Hirnforscher vergleichen die Blickbewegungen beim Lesen und beim Betrachten von Bildern und nutzen ihrerseits bildgebende Verfahren, um zu verstehen, was dabei jeweils im Kopf geschieht.
Kulturwissenschaftler erforschen das Zeichnen und Skizzieren als Verfahren eines Wissens im Entwurf. "Forschung und Gesellschaft" trifft Schnellzeichner und Konstrukteure und verfolgt die Hilfslinien und Gedankenstriche, mit denen wir unser neues Weltbild entwerfen.